Sustainable Development Goals

Die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung - "SDGs"

Am 27. Februar setzten wir uns intensiv mit den neuen Globalen Entwicklungszielen auseinander, die am 25.09.2015 von der UN Vollversammlung beschlossen wurden und bis 2030 gelten sollen. Referent Friedbert Ottacher zog zu Beginn Bilanz über die ausgelaufenen Millenniums-Entwicklungsziele 2000-2015. Im Anschluss erörterten wir die Inhalte der neuen Globalen Entwicklungsziele und definierten Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen unseres Vereins.

Die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung - "SDGs"

Die SDGs wurden – ganz im Gegensatz zu den MDGs - von tausenden ExpertInnen von UN, Regierungen, Zivilgesellschaft, Stiftungen, Privatwirtschaft etc... in einem dreijährigen Verhandlungsprozess ausgearbeitet.
Dementsprechend umfassend präsentieren sie sich. Sie gehen auch weit über Entwicklungspolitik hinaus, denn die 17 Ziele, 169 Subziele und 304 Indikatoren (die sich noch in Ausarbeitung befinden und im März präsentiert werden sollen) umfassen alle großen Politikfelder – von klassischen Entwicklungsthemen wie Bekämpfung der Armut und des Hungers genauso wie den Schutz der Ökosysteme, die Gleichstellung zwischen Mann und Frau, die globale Vollbeschäftigung und ein nachhaltiges Konsumverhalten. Die SDGs vereinen dabei 3 große Themen:

  1. Soziale Entwicklung
  2. Ökonomische Entwicklung
  3. Schutz unseres Planeten

Kritiker sprechen von einem gigantischen Wunschzettel, der weniger realistische Ziele als vielmehr Träumereien und Beliebigkeiten zum Inhalt hat. Außerdem seien die SDGs abgehoben, viel zu komplex und allein das Monitoring und die Datenerhebung würden Unsummen verschlingen, besonders in armen Ländern.

Im Detail lesen sich die Ziele wie folgt:

SDG 1: Armut in allen ihren Formen und überall beseitigen

SDG 2: Hunger beseitigen, Ernährungssicherheit und verbesserte Ernährung erreichen, eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

SDG 3: Ein gesundes Leben sicherstellen und das Wohlergehen aller Menschen in allen Altersgruppen fördern

SDG 4: Eine inklusive und gleichberechtigte hochwertige Bildung garantieren und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern

SDG 5: Geschlechtergleichstellung erreichen, das Potenzial aller Frauen und Mädchen fördern

SDG 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle sicherstellen

SDG 7: Den Zugang zu erschwinglicher, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sicherstellen

SDG 8: Anhaltendes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

SDG 9: Eine widerstandsfähige Infrastruktur schaffen, eine breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung und Innovationen fördern

SDG 10: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern

SDG 11: Städte und menschliche Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten

SDG 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen

SDG 13: Unverzüglich Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Folgen ergreifen

SDG 14: Die Ozeane, Meere und marinen Ressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen

SDG 15: Terrestrische Ökosysteme bewahren und wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, die Wüstenbildung bekämpfen, Landdegradation und den Verlust der Artenvielfalt beenden und umkehren.

SDG 16: Friede und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern und leistungsfähige, verantwortliche und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen

SDG 17: Die Mittel zur Umsetzung stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen

Das Besondere der SDGs liegt aber in ihrer Umsetzung: die SDGs beanspruchen für sich, universell zu gelten und einen tiefgreifenden Wandel auszulösen.

So ist jede Regierung gefordert, ihren Aktionsplan zur Umsetzung der SDGs im eigenen Land vorzulegen – und dessen Umsetzung zu überprüfen. Amina Mohammed, die ehemalige UN-Sonderbeauftragte für die SDGs, sagte dazu: „SDGs is not about development goals for other countries – but about you looking in the mirror“.

Was sieht nun ein Land wie Österreich, wenn es in den Spiegel blickt? Es sieht beispielsweise die Menschen, die hierzulande unter der Armutsgrenze leben. Im Sinne des ersten Ziels „Armutsbekämpfung“ bedeutet das, festzuschreiben, wie viele Menschen jedes Jahr hierzulande über die Armutsgrenze gehievt werden sollen. Oder beim Ziel „Gleichberechtigung“ Maßnahmen zu setzen, wie der Anteil von Frauen in Führungspositionen nachhaltig gesteigert werden kann.

Der Ball bei der Umsetzung liegt also nicht mehr bei den Entwicklungsländern allein, sondern bei allen Schwellen- und Industrieländern. Jede Regierung ist somit gefordert, ihren nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Ziele im eigenen Land vorzulegen – und dessen Umsetzung zu überprüfen.

Diese Aktionspläne werden je nach Land sehr unterschiedlich aussehen. In Entwicklungsländern werden die sozialen Ziele wie Armuts- und Hungerbekämpfung, Ausbau der Bildungs- und Gesundheitssysteme und der Zugang zu sauberem Wasser im Zentrum stehen. Bei den Industrieländern liegen die Prioritäten anders.

So hat Deutschland überlegt, welche Ziele die größte Hebelwirkung bei der Umsetzung entfalten – und die „Big five“ identifiziert:

•    Bekämpfung des Klimawandels
•    Ausbau von erneuerbarer Energie
•    Förderung von nachhaltigem Konsum und Produktion
•    Schutz der Meere und der Küsten
•    Reduzierung von Ungleichheiten innerhalb Deutschlands und zwischen den Ländern

Die Bundesregierung, aber auch die Landesregierungen bis hin zu den Bezirken und Gemeinden, werden sich auf diese 5 Ziele konzentrieren. Schweden ist noch einen Schritt weiter und hat bereits die geltenden Gesetze auf ihre SDG-Tauglichkeit überprüft. Andere Länder wiederum geben sich zurückhaltend oder lehnen – wie Großbritannien – die Umsetzung der SDGs im eigenen Land rundweg ab.

Eine offene Frage ist also die Verbindlichkeit und die Finanzierung der Ziele, besonders in den Entwicklungsländern. Die Kosten für die Umsetzung werden von den Vereinten Nationen mit rund 4% des jährlichen globalen Bruttonationalprodukts beziffert. Wer dafür aufkommt bleibt vage; man hofft auf ein höheres Steueraufkommen in den Entwicklungsländern selbst und die Beteiligung der Privatwirtschaft. Besonders multinationale Unternehmen werden hier in der Pflicht gesehen, zumal viele im Verhandlungsprozess zur Ausarbeitung der SDGs beteiligt waren. Einige haben sich bereits deklariert, so hat Philips untern den 17 Zielen drei – darunter den Ausbau der Energieversorgung – ausgewählt, an deren Umsetzung man sich beteiligen will.

Welche Auswirkungen hat das neue Entwicklungsparadigma auf  die klassische Entwicklungszuammenarbeit?
Wenn man die SDGs zu Ende denkt, bedeutet der universelle Ansatz auch eine Ende der traditionellen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Nord und Süd. Denn die SDGs wollen eine neue Form der internationalen Zusammenarbeit schaffen, die alle gleichermaßen bei der Bekämpfung von globalen Problemen wie Klimawandel, Terror oder Verschmutzung der Weltmeere in die Pflicht nimmt.

Auch der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit ist seit Beschlussfassung der SDGs obsolet geworden – denn in der neuen Diktion gibt es keinen reichen Norden und armen Süden mehr, sondern eine Weltgemeinschaft, die globale Probleme gemeinsam lösen muss.

Der Begriff EZA wird durch „internationale Zusammenarbeit“ ersetzt werden – und diese wird sich zunehmend auf soziale Themen, Nischen und Krisenregionen konzentrieren. Die entwicklungspolitischen Akteure sollten aufgrund ihrer Erfahrung aber eine zentrale Rolle in der Beratung der Unternehmen und philanthropischen Stiftungen einnehmen. Das wird aber nur gelingen, wenn sich NGOs auf diese Veränderung einlassen und bereit sind, ihre Rolle neu zu definieren.

Ob die unübersichtlichen, globalen Ziele eine ähnliche Wirkmacht wie die vergleichsweise konkreten Millenniumsziele entfalten werden, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle kann das nur gelingen, wenn ihre Befürworter es bald schaffen, die „Geschichte der Entwicklung“ neu und überzeugend zu erzählen. Ohne der sattsam bekannten Armuts- und Elendskampagnen – und mit neuen Botschaftern aus der Mitte der Gesellschaft.

Der Workshop-Leiter

ottacher

Friedbert Ottacher
Berater und Trainer

15 Jahre Praxis als Programmreferent bei CARE Österreich, HORIZONT3000 und LICHT FÜR DIE WELT;
Lehrtätigkeit an der Uni Wien (Internationale Entwicklung)
sowie an der Technischen Universität Wien.
Studium der Raumplanung an der TU Wien und Wageningen (NL).
Kolumnist im Südwind Magazin.

www.ottacher.at

Die SDGs und die Papstenzyklika "Laudato Si"

In seiner Umweltenzyklika „Laudato Si“ spricht sich Papst Franziskus mit klaren Worten für eine globale ökologische Umkehr aus. Ausführlich beschreibt er darin die Umweltverschmutzung, den Verlust biologischer Vielfalt und den durch Menschen herbeigeführten Klimawandel. Er fordert internationale Zusammenarbeit und Mechanismen, um diesen globalen Problemen Herr zu werden.

Wo stimmt die Papstenzyklika mit den SDGs überein?
Beide forcieren dringende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und die gleichberechtigte Einbeziehung aller Länder. Dabei soll niemand – ganz im Sinne des Papstes – zurückgelassen werden, besonders die ärmsten Länder nicht.

Wo gibt es Differenzen?
Die SDGs wollen die wirtschaftliche Entwicklung durch Wachstum und Innovation forcieren – sie sprechen zwar von nachhaltigem und inklusivem Wachstum, gehen aber über offensichtliche Widersprüche hinweg. Auch die Technologie- und Fortschrittsgläubigkeit, die in den SDGs zum Ausdruck kommen, teilt der Papst nicht.

Weblink SDGs auf Deutsch: http://www.un.org/depts/german/gv-69/band3/ar69315.pdf
Weblink Laudato Si: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html